Geister in Princeton
Eine Aufbahrungshalle in Princeton, New Jersey. Prof. Dr. Kurt Gödel, der größte Logiker seiner Zeit, wohnt als Geist seiner eigenen Beerdigung bei. Nur wenige Menschen sind um den Sarg versammelt, allen voran seine geliebte Frau Adele, die um ihren „Kurtsy“ weint. Botschaftsrat Strinetzky spricht posthum die Verleihung des österreichischen Staatspreises zweiter Klasse aus. Die peinliche Zeremonie wird irrtümlicherweise von Kaddisch-Klängen begleitet. Über seinen Tod hinaus wird Gödel für einen Juden gehalten. Schon als Kind von Stimmen verfolgt, steht er nun, geborgen im Nichtsein, neben Harry Woolf, dem Universitätsdirektor von Princeton, seinem Assistenten Hao Wang, und streicht Adele liebevoll über die Wange. Noch am Grab wird er von seinem Alter Ego aufgesucht und begibt sich im Rückwärtsgang auf eine Reise durch sein Leben. Für Gödel existieren Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft in jedem Moment. Die Zeit als Fahrplan eines Zuges, die Ereignisse des Lebens als Stationen, an denen er hält. Wie die Orte auf der Strecke nicht verschwinden, wenn der Zug in einem bestimmten Bahnhof einfährt, so sieht Gödel das Leben als eine Reihe zeitübergreifender Geschehnisse zwischen gestern, heute und morgen. Geboren 1906 in Brünn, führt das Kind „Kurti Gödel, dem Himmel auserkoren“, Zwiegespräche mit unsichtbaren Gestalten. Als junger Mann die Begegnung mit der verheirateten Tänzerin Adele Porkert. Er überzeugt sie, seine Frau zu werden, da sie ja bereits verheiratet gewesen waren, nämlich in der Zukunft. Er kann ohne sie nicht mehr existieren, macht ihr das gemeinsame Leben aber nicht einfach. Sie wird seine Vorkosterin, seine Beschützerin, seine symbiotische Begleiterin. Gödel als junger Physikstudent an der Wiener Universität bei den Sitzungen des „Wiener Kreises“. Sein Unvollständigkeitssatz, der die mathematische Logik revolutioniert. Die Begegnungen und Kontroversen mit berühmten Kollegen wie Moritz von Schlick. Die Ermordung Schlicks durch Hans Nelböck, bei der er sich als Zeuge auf die Ebene des Sterbenden begibt. Die Flucht vor den Nazis nach Amerika, obwohl er kein Jude ist, eine mysteriöse Zwischenstation in Sibirien, die seiner „Adsel“ und ihm beinahe das Leben kostet. Die Zusammenkünfte mit Einstein, der Gödel verehrt und mit ihm für die „Aufnahmeprüfung in Amerika“ übt. Die Zeit als Forscher am Institute for Advanced Studies, sein radikaler Rückzug aus dem Leben, die Nahrungsverweigerung als logische Konsequenz seiner Angst, vergiftet zu werden. Während Adele im Krankenhaus ist, hungert sich Gödel zu Tode und stirbt, umgeben von Geistern und Untoten. Und der Zug fährt im Kreis. Jeder Moment ist für immer. Daniel Kehlmann bedient sich Gödels These der Nichtexistenz von Zeit und Ort. Er setzt Gödels Suche nach dem zeitreisenden Gefährt nahe der Lichtgeschwindigkeit dramaturgisch brillant um und erzählt das Leben des berühmten Logikers als Kreis, der sich schließt. Das Stück beginnt mit Gödels Beerdigung und endet mit den letzten Tagen vor seinem Tod. In Rückblenden mischen sich fiktive Sequenzen als Ausdruck Gödels Besessenheit von Geistern und unsichtbaren Spezialagenten. Lebendige treffen auf Tote, Zukunft und Vergangenheit verbinden sich zu eine rGegenwart, die so ungreifbar bleibt wie die Figur Gödels.
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